Wenn Sie ein Fan von Horrorfilmen sind, kennen Sie den Spruch: Die Gefahr lauert im Haus. Auch im Geschäftsleben gibt es Bedrohungen, die von innen kommen – und wir sind häufig nicht besonders gut darin, sie zu erkennen, geschweige denn zu beseitigen.
Die Fähigkeit zu entwickeln, interne Innovationsbarrieren zu identifizieren und zu überwinden, kann über Erfolg oder Stagnation eines Unternehmens entscheiden.
Trägheit und der Status Quo
„Das haben wir schon immer so gemacht.“ – dieser Satz ist sinnbildlich für den Status quo.
Selbst wenn er nicht laut ausgesprochen wird, ist er oft die unausgesprochene Haltung, wenn Veränderungen anstehen oder strategische Entscheidungen zu treffen sind.
Jede Infragestellung des Ist-Zustands bedeutet, unbequeme Fragen zu stellen – über bestehende Prozesse, Strukturen und Denkweisen. Doch viele verbinden solche Fragen mit Risiko. Führungskräfte fürchten etwa Reputationsverlust („Was, wenn es schiefläuft?“), Mitarbeitende sorgen sich um Auswirkungen auf ihre Rollen und Aufgaben.
Wir tendieren dazu, am Status quo festzuhalten (default bias). Dieser wird als Ausgangspunkt betrachtet, von dem jede Abweichung als potenzieller Verlust – oder seltener – als Gewinn empfunden wird. Und da Verlustaversion stark in unserer Wahrnehmung verankert ist, wiegen mögliche Risiken schwerer als potenzielle Chancen.
Dieses Festhalten am Gewohnten geht oft einher mit Gruppendenken – einem Zustand, in dem Teams oder ganze Organisationen so sehr in ihrer Sichtweise übereinstimmen, dass kritisches Denken ausbleibt und schlechte Entscheidungen die Folge sein können.
Je länger ein Team zusammenarbeitet, desto stärker kann dieser Effekt sein – und desto größer die Tendenz, den Status quo zu schützen.
Innovation blockieren
Trägheit und Gruppendenken sind massive Innovationshemmnisse. Wie Timothy R. Clark es formuliert: „Innovation erfordert Abweichung.“ Doch wenn Führungskräfte und Teams primär damit beschäftigt sind, den aktuellen Zustand zu bewahren, laufen sie Gefahr, „absichtlich blind für die wachsende Irrelevanz“ zu werden.
Mitarbeitende zu ermutigen, neue Fähigkeiten zu entwickeln – und ihnen entsprechende Programme und Ressourcen zur Verfügung zu stellen – ist eine kluge, zukunftsorientierte Entscheidung. Lassen Sie kompetente Menschen selbst Initiative ergreifen, anstatt implizite Hürden aufzubauen, die lediglich den Status quo schützen.
Natürlich sind Regeln, Sicherheitsmechanismen und Governance-Strukturen notwendig, doch sie dürfen nicht dazu missbraucht werden, Weiterbildung oder Wandel zu blockieren.
Was ist mit den Zombies?
Diese „Gefahr im Haus“ geht oft von Führungskräften und Meinungsführern innerhalb eines Unternehmens aus. Es gibt Hinweise aus der Kundenbeobachtung, die klar auf Veränderungsbedarf oder neue Chancen hindeuten. Doch bevor sich eine produktive Diskussion entwickeln kann, wird sie abgewürgt mit Sätzen wie: „Unsere Kunden wollen das nicht“ oder
„Wir sollten lieber wieder in meine Lieblingsidee von vor zwei Jahren investieren.“
Das sind Zombie-Ideen. Wie Bill Fischer sie beschreibt, sind es veraltete Konzepte oder Überzeugungen, die von den Toten auferstehen, um den Entscheidungsprozess einer Organisation zu unterwandern. Der Begriff wurde ursprünglich von Paul Krugman geprägt, der damit Ideen meinte, die einfach nicht sterben – und Führungskräfte lähmen, die sich zu sehr auf sie verlassen.
Das Problem: Diese Führungskräfte merken oft nicht, dass ihr veraltetes Denken neue, dringend benötigte Entscheidungen blockiert. Zombie-Ideen sind bequem. Sie wirken vertraut. Sie erscheinen als risikoarme Optionen. Amy Edmondson betont: Überall dort, wo Mitarbeitende die Entscheidungen ihrer Führung nicht hinterfragen können, gedeihen Zombie-Ideen.
Und weil Machtverhältnisse selten ausgeglichen sind, können sie sich auf ganze Organisationen ausbreiten.
Sie erkennen, wie Zombie-Ideen mit Status-quo-Denken, Annahmen und Gruppendenken verwoben sind. Unternehmen haben – bewusst oder unbewusst – auch Zombie-Projekte:
Initiativen, die keine echten Ergebnisse liefern, aber weiterhin Ressourcen binden.
Sie bringen keinen Fortschritt, verursachen Kosten und blockieren zugleich die Innovationspipeline. Nicht zuletzt leiden auch Motivation und Arbeitsmoral darunter.
Oft erkennen Mitarbeitende neue Trends, Veränderungen oder Risiken schneller – und fragen sich: „Warum sieht das niemand in der Führung?“ Sie wissen, dass ein Projekt längst seine Berechtigung verloren hat – aber sie verstehen nicht, warum die Führung es nicht beendet.
Ein Teil der Antwort liegt darin, dass Führungskräfte aufgrund vergangener Entscheidungen und Erfolge davon ausgehen, dass sich diese Muster fortsetzen lassen.
Doch Märkte ändern sich. Kunden ändern sich. Branchen verändern sich. Und mit ihnen auch Risiken und Chancen.
Sich Sorgen machen, wenn Menschen die ganze Zeit ruhig oder höflich sind
Wenn eine Veränderung des Status quo als Bedrohung empfunden wird, wird sie emotional und persönlich. Menschen schützen sich oft, indem sie nicht reagieren.
Sie schweigen, wenn eigentlich schwierige Fragen gestellt werden müssten, und bleiben höflich, wo kritische Gespräche notwendig wären.
Sie fürchten, als Störfaktor wahrgenommen zu werden – insbesondere von Personen, die Macht über sie haben – oder bestehende Strukturen und Hierarchien zu gefährden.
Diese Mitarbeitenden zu ermutigen, sich zu äußern, ist ein wichtiger Schritt, um die „Zombies“ aus dem Haus zu bekommen.
Die richtigen Fragen gegen den Status quo beginnen mit: „Was wäre, wenn …?“
Nicht nur: „Was wäre, wenn wir das ausprobieren?“, sondern vor allem:
„Was wäre, wenn wir nichts tun?“ – um die Risiken sichtbar zu machen, die bestehen, wenn alles bleibt, wie es ist.
Weitere zielführende Fragen sind:
- Warum haben wir begonnen, auf diese Weise vorzugehen? Gelten diese Bedingungen heute noch?
- Welche Annahmen liegen diesem Vorgehen zugrunde?
- Wer profitiert davon – und wer nicht?
Noch weitergedacht: Wenn die Antwort lautet, dass Prozesse eher dem Unternehmen als den Kundinnen und Kunden dienen, ist das eine ernsthafte Gefahr für den langfristigen Erfolg. - Welche Ergebnisse wollen wir erzielen – und könnten wir sie auch auf anderem Wege erreichen?
- Mit wem haben wir darüber noch nicht gesprochen?
Input von außerhalb Ihrer gewohnten Gruppe kann Gruppendenken entgegenwirken.
Sieben Schritte, um die Fähigkeit zu entwickeln, den Status quo infrage zu stellen
- Erkennen Sie den richtigen Moment.
Es gibt selten einen offiziellen Zeitpunkt, an dem kritische Fragen erwünscht sind – oft ergeben sich Gelegenheiten im Alltag oder bei zufälligen Begegnungen mit potenziellen Unterstützern. Halten Sie ein informelles Pitch Deck mit Daten und einer begründeten Argumentation bereit. - Priorisieren Sie Ihre Ideen.
Menschen, die ständig unzufrieden wirken, laufen Gefahr, andere zu verlieren. Wichtige Ideen gehen dann unter.
Konzentrieren Sie sich auf einige wenige Vorschläge, die relevant sind und echte Umsetzungs-Chancen haben. - Kennen Sie Ihr Publikum.
Die Persönlichkeit, Ziele und Denkweisen der Entscheidenden beeinflussen, wie offen diese für Widerspruch sind.
Oft hilft es, explizit um Erlaubnis zu bitten:
„Darf ich dazu eine Gegenfrage stellen?“
Das verändert die Dynamik – von Konfrontation zu Beitrag. - Verstehen Sie die Vergangenheit.
Zeigen Sie, dass Sie die Beweggründe früherer Entscheidungen nachvollziehen können.
Akzeptieren Sie, dass frühere Strategien unter anderen Bedingungen sinnvoll waren – und sich mit neuen Umständen auch die Herangehensweise ändern muss.
Seien Sie sich der Risiken und Chancen bewusst, und denken Sie sich auch in andere Perspektiven hinein. - Seien Sie neugierig.
Neugier wirkt oft besser als Widerspruch.
Führungskräfte sollten diese Haltung fördern und ihre Teams aktiv dazu einladen, kritische Fragen zu stellen. - Bringen Sie Daten mit.
Daten helfen, Diskussionen zu versachlichen.
Quantitative Daten sind wichtig, aber auch qualitative und anekdotische Beispiele können kraftvoll und überzeugend sein.
Storytelling ist besonders wirksam, wenn emotionale Barrieren bestehen. - Bringen Sie Verbündete mit.
Eine gute Idee muss nicht alleine präsentiert werden.
Gemeinsam mit anderen wird sie robuster, und unterschiedliche Perspektiven helfen dabei, blinde Flecken aufzudecken.
Einen gesunden Arbeitsplatz neu definieren
Nimisha Patel schlägt vor, den Begriff „gesunder Arbeitsplatz“ neu zu denken:
Ein Ort, an dem Meinungsverschiedenheiten und Experimente in einem sicheren Umfeld möglich sind.
Wie sähe das in Ihrem Unternehmen konkret aus?
So entlarven Sie Zombie-Ideen – und was Sie dagegen tun können
(Basierend auf Anregungen von Bill Fischer, zusammengefasst in einem Drucker-Panels)
- Führungskompetenz stärken.
Unterstützen Sie Führungskräfte in ihrer Weiterentwicklung, indem Sie ihnen helfen, neue wie alte Managementtrends kritisch einzuordnen. - Ernennen Sie gezielt „Zombie-Killer“.
Schaffen Sie informelle Rollen oder Verantwortlichkeiten, die gezielt auf überholte Denkweisen und ineffektive Praktiken hinweisen. - Fördern Sie eine Kultur des Widerspruchs.
In einer gesunden Arbeitskultur gibt es eine „Verpflichtung zum Dissens“ – Menschen dürfen und sollen fragen:
„Warum machen wir das so?“ - Schützen Sie Andersdenkende.
Auch wenn sie falschliegen – kritische Stimmen brauchen Rückhalt, um psychologische Sicherheit im Team zu schaffen und Innovation zu ermöglichen. - Vielfalt & gemeinsame Verantwortung.
Der Unterschied zwischen Projektverantwortung und -kontrolle besteht darin, Besitzdenken zu vermeiden.
Diverse Teams mit geteilter Verantwortung wirken Gruppendenken entgegen – und helfen, Zombie-Ideen frühzeitig zu identifizieren.