Bevor Sie ausbrennen: Der Umgang mit kognitiver Überlastung bei der Arbeit

Sherry McMenemy

Nachdenken hat Gewicht – genauso wie Multitasking und Stress. Dafür haben wir einige ziemlich treffende Metaphern, wenn das Gewicht zu groß wird: Überlastung und Burnout.

Im Gegensatz zu körperlichen Schmerzen ist eine kognitive Überlastung oft schwer zu erkennen – vor allem, wenn Sie es gewohnt sind, regelmäßig an Ihre Grenzen zu gehen. Dann ist Ihre persönliche „Basislinie“ bereits aus dem Gleichgewicht geraten. Viele Menschen zeigen jedoch auch körperliche Symptome, wenn sie ausgebrannt sind:

  • Sie fühlen sich überwältigt oder erschöpft
  • Das Gefühl, keinen Zugang zu Ihren Gefühlen und Emotionen zu haben
  • Mangelnder Enthusiasmus für Dinge, die Ihnen sonst Freude bereiten
  • Magenbeschwerden und Verdauungsprobleme
  • Kopfschmerzen
  • Veränderungen des Appetits
  • Schlafprobleme, einschließlich Ein- und Durchschlafstörungen oder anhaltender Müdigkeit

Neben diesen persönlichen Symptomen gibt es auch deutlich sichtbare Anzeichen im beruflichen Alltag:

  • Langsamere Reaktionszeiten
  • Ungeduld bei Anfragen oder E-Mails, die Sie sonst routiniert bearbeiten
  • Schwierigkeiten beim Verarbeiten neuer Informationen
  • Mehr Fehler als üblich – inklusive „dummer“ Flüchtigkeitsfehler und verpasster Fristen
  • Widerstand gegenüber Veränderungen (z. B. neuen Prozessen oder Initiativen)
  • Vorwiegend negative Interpretationen des Verhaltens oder der Aussagen anderer

Was ist kognitive Überlastung? Was ist Burnout?

Kognitive Belastung beschreibt, wie stark Ihr Arbeitsgedächtnis beansprucht wird. Es gibt drei Arten kognitiver Belastung:

  1. Intrinsisch: Der grundlegende Aufwand, der mit einem Thema verbunden ist. Je komplexer das Thema, desto mehr kognitive Kapazität wird benötigt.
  2. Extrinsisch: Die Art, wie Informationen vermittelt werden. Unübersichtliche, dicht gepackte Inhalte oder überladene Interfaces erfordern mehr Verarbeitungsaufwand.
  3. Germane: Die geistige Anstrengung, dauerhafte Wissensstrukturen (Schemata) zu entwickeln. Wenn Sie gezielt Energie auf den Aufbau solcher Schemata lenken, können Sie die Gesamtbelastung reduzieren.

Kognitive Überlastung entsteht, wenn Sie versuchen, mehr Informationen zu verarbeiten, als Ihr Gehirn komfortabel bewältigen kann. Kommen dann noch Stress und ein überfüllter Terminkalender dazu, steigt die Belastung exponentiell.

Gleichzeitig suchen wir unter Druck oft nach noch mehr Informationen – in der Hoffnung, bessere Entscheidungen treffen zu können. Doch bei Überlastung führt genau das zur Entscheidungsblockade, etwa durch Analyseparalyse.

Burnout ist mehr als Erschöpfung. Es beschreibt eine Kombination aus körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung, verursacht durch langanhaltenden oder plötzlichen, intensiven Stress – etwa durch gesundheitliche Veränderungen, Elternschaft, Pflegeverantwortung oder andere Lebensfaktoren.

Typisch für Burnout ist das Gefühl, emotional und zwischenmenschlich abgekoppelt zu sein. Es mangelt an Interesse, Energie und Leistungsfähigkeit – oft begleitet von zunehmendem Zynismus.

Bleibt kognitive Überlastung unbehandelt, wirkt sie sich nicht nur auf Ihr eigenes Wohlbefinden, sondern auch auf Teamdynamik und Produktivität aus. Burnout kann langfristige Folgen für Gesundheit, Karriere und Kolleg:innen haben.

Das Gehirn braucht Strategien, um mit Informationsflut umzugehen

Srini Pillay schlägt vor, das Gehirn wie einen Staubsauger zu betrachten: In der Grundeinstellung nimmt es jede Information auf, die ihm begegnet. Gezielte Feinjustierung hilft, diese Überlastung zu reduzieren:

  1. Feedback umschalten – von global zu lokal: Globales Feedback bedeutet, Sie denken über alle zurückliegenden Aufgaben nach. Lokales Feedback konzentriert sich auf das, was gerade passiert ist. Diese Perspektive hilft, Multitasking effizienter zu gestalten. Tipp: Legen Sie kurze Pausen ein, um die letzte Aufgabe zu reflektieren und zu überlegen, wie sie mit der nächsten zusammenhängt. Vermeiden Sie den Blick auf den gesamten Tag.
  2. Filter setzen: Unser Kurzzeitgedächtnis ist begrenzt. Wenn irrelevante Informationen zu viel Platz einnehmen, wird das zur Ablenkung. Reaktive Filterung (TMI = too much information) signalisiert dem Gehirn, Inhalte auszublenden. Effektiver ist proaktive Filterung: Bereiten Sie Ihr Gehirn bewusst darauf vor, bestimmte Reize zu ignorieren – z. B. durch das Deaktivieren von Benachrichtigungen oder gezieltes Posteingangsmanagement.
  3. Den „Mixer“ einschalten: Das Gehirn kann besser verarbeiten, wenn es Verbindungen zwischen Ideen herstellt. Im Konzentrationsmodus sammelt es Informationen, im Unkonzentriert-Modus verknüpft es sie. Daher ist es hilfreich, sich zwischendurch bewusst zurückzuziehen – etwa durch Spazierengehen oder Tagträumen.
  4. Gezielt vergessen lernen: Manche Dinge lassen uns nicht los – etwa Kritik oder eigene Fehler. Mit zunehmendem Alter fällt es uns schwerer, solche Gedanken loszulassen. Sobald eine belastende Erinnerung auftaucht, lenken Sie sich bewusst ab – z. B. mit Musik oder einem Bild, das positive Assoziationen weckt.
  5. Energie auftanken: Wenn dem Körper Energie fehlt, leidet auch das Gehirn. Bewegung, Yoga oder andere aktivierende Routinen geben dem Kopf eine Pause. Planen Sie feste Auszeiten im Arbeitsalltag ein – sie helfen Ihrem Gehirn, sich zu regenerieren.

Einige Ursachen für kognitive Überlastung und Burnout

Obwohl sie miteinander verwandt sind, haben kognitive Überlastung und Burnout unterschiedliche Ursachen – und das eine kann durchaus ohne das andere auftreten.

Kognitive Überlastung kann entstehen durch:

  1. Ablenkungen: Diese können sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben auftreten. Lärm, Unterbrechungen, persönliche Stressfaktoren, ständige Benachrichtigungen oder aktuelle Ereignisse gehören dazu. Für manche erschwert auch das Arbeiten im Großraumbüro die Konzentration.
  2. Ständige Informationsflut: E-Mails, Fragen, Daten, Berichte – der Input reißt nicht ab. Es wird immer schwieriger zu erkennen, was relevant ist, und sich das zu merken, was für gute Entscheidungen benötigt wird.
  3. Unklare Vorgaben: Wenn Ziele oder Erwartungen nicht klar formuliert sind, steigt die Belastung – insbesondere, wenn Sie ohnehin ausgelastet sind. Mentale Energie wird dadurch für Interpretationen statt für Umsetzung verwendet.
  4. Multitasking und Aufgabenwechsel: Oft lässt sich das nicht vermeiden, doch es kostet geistige Energie, immer wieder neu den Fokus zu finden – was sich negativ auf Effizienz und Produktivität auswirkt.
  5. Dauerhafte Konzentration: Aufgaben, die durchgehend hohe Aufmerksamkeit erfordern – ohne Pausen – zehren an den Reserven und verhindern geistige Regeneration.
  6. Hohe Arbeitsbelastung: Enge Fristen, überzogene Erwartungen und ein zu hohes Arbeitspensum führen dazu, dass sich viele permanent im Rückstand fühlen. Der Anspruch, gute Arbeit zu leisten, erhöht den mentalen Druck zusätzlich.

Typische Ursachen für Burnout im beruflichen Umfeld:

  1. Veränderungsmüdigkeit: Es gibt zwei Arten, die zum Burnout beitragen können: ständige Veränderungen in vielen Bereichen oder wiederholte Veränderungen in einem Bereich, in den Sie stark involviert sind. In beiden Fällen sinkt Ihre Anpassungsfähigkeit – und damit das Engagement.
  2. Mangelnde Anerkennung: Wenn hohe Anstrengung nicht wertgeschätzt wird, schwindet die Toleranz für andere Belastungsfaktoren. Frust kann sich aufbauen – bis zum Burnout.
  3. Gefühl mangelnder Kontrolle: Wenn Sie keinen Einfluss auf Arbeitszeiten, Aufgaben oder das Arbeitsumfeld haben, steigt die Belastung. Beispiele: keine Beteiligung an Entscheidungen, fehlende Zuständigkeiten bei geteilten Verantwortungen oder Mikromanagement.
  4. Unklare oder unrealistische Erwartungen: Wenn nicht klar ist, was von Ihnen erwartet wird, entsteht Unsicherheit. Auch überhöhte Erwartungen – etwa durch Vorgesetzte oder ungeplante Mehrverantwortung – erhöhen den Druck.
  5. Wertekonflikte: Wenn Ihre persönlichen Werte nicht mit denen des Unternehmens, des Teams oder der Führungskraft übereinstimmen, entsteht innere Distanz zur Arbeit. Besonders belastend, wenn es keine Möglichkeit zur Veränderung gibt.
  6. Schwierige Arbeitsbeziehungen: Ausgrenzung, Konflikte oder fehlende psychologische Sicherheit erschweren den konstruktiven Umgang mit Belastung.
  7. Ungleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben: Zeit und Energie sind begrenzt. Wer dauerhaft an mehreren Fronten gefordert ist, läuft Gefahr, auszubrennen.
  8. Chronische Überlastung: Dauerhaft hohe Anforderungen und lange Arbeitszeiten führen zu chronischem Stress – einer zentralen Ursache für Burnout.

Vorbeugung gegen Burnout

Hier sind einige proaktive Maßnahmen, um kognitive Überlastung zu reduzieren und Burnout vorzubeugen:

  1. Kümmern Sie sich um Ihre Gesundheit: Regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf, bewusste Pausen und ein stabiles soziales Umfeld sind entscheidend. Gerade bei hoher Belastung tendieren viele dazu, diese Grundlagen zu vernachlässigen.
  2. Verbessern Sie Ihr Projektmanagement: Gute Strukturen helfen, Überlastung zu vermeiden – und sollten eingeführt werden, bevor es zu viel wird. Dazu gehört Klarheit über Prioritäten: Was verdient Ihre volle Aufmerksamkeit? Was lässt sich delegieren oder verschieben?
  3. Optimieren Sie Ihr Zeitmanagement: Es gibt zahlreiche Modelle, die helfen können – aber entscheidend ist, dass Ihre Zeitplanung auch Pausen vorsieht.
  4. Begrenzen Sie kognitiv anspruchsvolle Phasen: Strukturieren Sie Ihren Arbeitstag so, dass hochkonzentrierte Aufgaben nicht mehr als vier Stunden pro Tag ausmachen.
  5. Vereinfachen Sie Informationsflüsse: Überlegen Sie, wie Sie die Menge und den Zeitpunkt eingehender Informationen beeinflussen können. Beispiel: Kommunikationskanäle reduzieren, klare Regeln für deren Nutzung vereinbaren, Benachrichtigungen zusammenfassen oder abschalten.
  6. Suchen Sie aktiv nach Unterstützung: Ob Familie, Vorgesetzte oder Kolleg:innen – externe Unterstützung hilft, Berufliches und Privates besser in Einklang zu bringen.
  7. Sprechen Sie offen und frühzeitig: Viele tun sich schwer damit – aber das offene Gespräch über erste Anzeichen von Überlastung kann allein schon entlastend wirken.

Wenn Sie sich bereits überlastet oder ausgebrannt fühlen:

Gerade bei Burnout ist es wichtig, früh gegenzusteuern. Hier sind einige konkrete Schritte:

  1. Treten Sie bewusst einen Schritt zurück: Auch wenn Sie glauben, dafür keine Zeit zu haben – analysieren Sie Ihr Arbeitspensum und identifizieren Sie Belastungsfaktoren. Schreiben Sie diese auf – und überlegen Sie, welche Maßnahmen Sie konkret ergreifen können.
  2. Sorgen Sie gezielt für Entlastung: Wie Sie entspannen, ist individuell. Wichtig ist: Vermeiden Sie ungesunde Kompensationen, wie übermäßigen Konsum oder Verdrängung.
  3. Suchen Sie das Gespräch mit Ihrer Führungskraft: Teilen Sie Ihre Situation, Ihre Sorgen und Optionen offen mit. Gemeinsam lassen sich Prioritäten klären oder mögliche Anpassungen besprechen. Vielleicht ergibt sich auch eine alternative Rolle, die besser zu Ihnen passt.
  4. Holen Sie sich professionelle Hilfe: Schwere Burnout-Symptome können in Depressionen, Angststörungen oder chronischen Stress übergehen. Zögern Sie nicht, ärztlichen oder psychologischen Rat einzuholen. Vielleicht bietet Ihr Unternehmen auch ein Employee Assistance Program (EAP), das Sie unterstützen kann.

Über den Autor
Sherry McMenemy
Als VP für Corporate Knowledge bei der Volaris Group arbeitet Sherry eng mit all unseren Organisationen zusammen, um Best Practices durch Peer-Programme, spezielle Sitzungen, Portale und Gemeinschaften zu erfassen und zu teilen. Sie überwacht außerdem die Plattformen, Technologien und Strategien der Volaris Group, die unsere kollaborative Kultur unterstützen.
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